Vorteile alter Backtradition
Kochlexikon
Brot - Zeit für Bekömmlichkeit & Geschmack
Vom industriellen Brot zurück zu den Wurzeln alter Brotbacktradition…
In der heutigen Zeit wird die Brotqualität durch die industrielle Fertigung bestimmt und die Backhefegärung spielt eine überwiegende Rolle. Im Gegensatz zu früher enthält unser Brot heute jede Menge künstlicher Zusatzstoffe, die das Brot haltbarer und lockerer machen oder einfach nur geschmacksverstärkend wirken sollen. Außerdem sind die Backwaren möglichst gleichbleibend, stehen schnell und preiswert in großer Menge jederzeit zur Verfügung. Wenn wir zurück zu alter Brotbackkunst wollen, fängt es damit an, auf alle Zusatzstoffe zu verzichten, die für ein industrielles Brot gebraucht werden.
Es ist schon interessant, wie viel Wasser, Chemie und Energie verbraucht wird, um Backhefe herzustellen, die wir für ein paar Cent im Supermarkt kaufen können. Wer sich gerne mit Nachhaltigkeit beschäftigen möchte, kann ohne viel Aufwand seine Hefe auch ohne Chemie zu Hause selbst herstellen. Der Arbeitsaufwand ist gering, allerdings braucht man etwas Geduld bis das Hefewasser fertig ist. Bei unseren Backtreffen zeigen wir, wie es funktioniert.
Aber wieder zurück zum Brot…
Es gibt zur Teiglockerung verschiedene Gärungstypen, z. B. die Hefegärung und die seit alters her gebräuchliche Sauerteiggärung. Jede Gärungsart führt zu einem unterschiedlichen Geschmack und eigenem Aroma.
Was ist ein Sauerteig und wie entsteht er?
Für Sauerteig gibt es Rezepte wie für jede andere Speise auch. Vereinfacht dargestellt bedeutet es, man mischt ein Vollkornmehl mit Wasser, „füttert“ es 3 Tage lang einmal mit Wasser und Mehl und hat am Ende einen Sauerteig.
Was passiert in der Zeit?
In der Mehl-Wassermischung beginnt ein Gärprozess. Den Vorgang nennt man auch Fermentation. An dem Gärungsprozess sind bestimmte Bakterien beteiligt, diese Bakterien leben auch im menschlichen Körper und spielen dort eine wichtige Rolle. Winzige Hefepilze und Milchsäurebakterien, die auch ganz natürlich in der Luft vorkommen, sorgen für die sogenannte Gärung: Sie vermehren sich im Teig, setzen dabei Kohlendioxid frei und lockern den Teig auf diese Weise. Der Sauerteig wirft Blasen und riecht leicht säuerlich.
Eine Anekdote zur Entdeckung vom Sauerteig:
"Eine Sklavin im alten Ägypten hatte vergessen, etwas Getreidebrei zu den üblichen harten Fladen zu backen und ihn in der Sonne stehen lassen. Nachdem er zu gären begann, bekam sie einen großen Schreck wegen der Verschwendung und entschloss sich diesen Fladen doch noch zu backen. Er blähte sich dann beim Backen auf und so hatte sie das erste Mal in der Geschichte ein aufgegangenes Brot gebacken, und somit den Sauerteig entdeckt".
Ein Brot soll Zeit haben, braucht aber nicht jedes Mal 4 Tage der Vorbereitung…
Das Sauerteigprinzip liegt darin, dass ein frisch angerührter Teig mit altem, schon vergorenem Sauerteig versetzt wird. Diesen Vorgang nennt man auch "impfen". So gewährt man eine zuverlässige Gärung, denn der alte Sauerteig stellt eine Anreicherung von den zur Vergärung notwendigen Mikroorganismen dar. Die Gärtätigkeit entwickelt sich in Abhängigkeit von den verschiedenen Umgebungsfaktoren, wie Luft- und Wassertemperatur, Mehlqualität und der umgebenden Luft. Je nach Rezept braucht der Teig jetzt nochmal 12 bis 24 Stunden Zeit zum Gären.
Den Anteil zum Impfen nennt man Anstellgut und das sind meistens nur wenige Gramm pro Rezept. Den verbliebenen alten Sauerteig stellt man in den Kühlschrank damit die Gärung sich verlangsamt. Der Sauerteig „lebt“ gewissermaßen, während er im Kühlschrank steht. Die Fodmaps (Kohlenhydrate) werden zu einem gewissen Teil von den Bakterien zersetzt und es bilden sich Säuren, Kohlendioxid und kleine Mengen Alkohol, der dann wiederum in Säuren umgewandelt wird. Da die Fodmaps langsam immer weniger werden, muss der Sauerteig von Zeit zu Zeit gefüttert werden, damit der Prozess immer weiter gehen kann und somit immer ein Vorrat zum Backen zur Verfügung steht.
FODMAP ist die Abkürzung für "Fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide und Polyole". Es handelt sich um natürlich vorkommende Kohlenhydratverbindungen (Zuckerarten) in gewissen Nahrungsmitteln, die nicht von allen Menschen gut vertragen werden. Ein Einschränken der FODMAPs kann deshalb bei vielen Menschen zu einer Reduktion von Verdauungs-Beschwerden wie Blähungen, Bauchweh, Verstopfung und/oder Durchfall führen. Lange Vorteigführungen führen also zu einem guten Aufschluss und damit zu einer besseren Verdaulich- und Verträglichkeit von Vollkorngetreide, während dies bei der sehr schnellen Backhefelockerung nicht der Fall ist.
Nach den 12-24 Stunden Gärzeit geht der Gärprozess auch in den folgenden Schritten eines Rezepts weiter. Nachdem alle Zutaten zu einem Hauptteig (Grundstock für das Brot) geknetet sind, gibt man dem Teig während der Stockgare wieder Zeit zum Gären, welche je nach Rezept unterschiedlich sein kann (30 – 90 Min.).
Anschließend wird der Teig für die gewählten Gärkörbchen oder Kastenformen evtl. aufgeteilt. Gärkörbchen verwendet man, wenn ein frei geschobenes Brot gebacken werden soll. Je nach Rezept und Umgebungstemperatur bekommt der Teig nun noch einmal bis zu ca. 2 Stunden Zeit zum Gären. Das nennt man Stückgare.
Ein Brot braucht etwas Planung…
Hat man sich an die Vorgänge erst einmal gewöhnt, braucht ein Brot zwar viel Zeit bzw. Geduld, es bedeutet aber nicht gleichzeitig viel Arbeitszeit. Man achtet bei der Zubereitung darauf, dass lange Zeiten für die Teigruhe in die Schlafenszeit fallen.
Hinweis für Rezepte mit Hefe
Wer ein Rezept mit Hefe und langer Teigführung machen möchte, achtet unbedingt darauf, nicht den häufig üblichen Anteil 42 Gramm Hefe auf 500 Gramm Mehl zu verwenden. Soviel Hefe reagiert zu schnell und der Teig wird dann bei langer Teigführung unbrauchbar. Am besten sucht man sich ein Rezept, um nicht so viel experimentieren zu müssen. Bei der selbstgemachten Hefe dem Hefewasser plant man auch mindestens 12 Stunden Ruhezeit zur Gärung ein.
Du möchtest das Thema gerne in einer Gruppe vertiefen…
Ich freue mich, wenn wir uns bei einem Backtreffen kennen lernen und bei einem Erfahrungsaustausch für jeden viel Spaß beim Backen entsteht. Es ist schon etwas Besonderes, ein selbstgebackenes Brot nach alter Backtradition zu essen, bei dem man genau weiß was drin ist.